Lovecraft trifft auf Resident Evil: Eternal Darkness: Sanity’s Requiem in der Retrospektive

Eternal Darkness: Sanity’s Requiem gilt als einer der absoluten Geheimtipps in Nintendos Karriere, als eines der wenigen Spiele für eine ausschließlich erwachsene Käuferschaft, das sie jemals veröffentlicht haben. Entwickelt von dem kanadischen Studio Silicon Knights, die ihren Durchbruch mit dem ersten Legacy of Kain-Spiel hatten und sich anschließend mit Publisher Eidos zerstritten, kam Eternal Darkness in 2002 exklusiv für den GameCube. Fans betteln bis heute um einen Port oder ein Remaster auf aktuelle Hardware und noch ist nichts dergleichen passiert. Eventuell könnte der GameCube-Emulator der Switch 2 hier in Zukunft aushelfen, aber das bleibt abzuwarten. In der Zwischenzeit habe ich es über meine rückwärtskompatible Wii gespielt und kann euch verraten, ob es das Warten auf eine Neuveröffentlichung überhaupt wert ist.

Eine Lovecraftian Reise durch die Vergangenheit

Das Spiel beginnt mit dem Tod von Alex‘ Großvater, der brutal zugerichtet in dem Familienanwesen auf Rhodos gefunden wird. Alex verweilt in der Villa, während die Polizei ihren Ermittlungen nachgeht. Aber genervt davon, dass es keinen Fortschritt der Ermittlungen gibt, geht sie selbst Nachforschungen nach, die Alex auf ein Lovecraftian Horrorabenteuer schicken und auf eine Reise durch die Vergangenheit. So ist das narrative Gimmick des Spiels, dass man Seiten des Tome of Eternal Darkness findet, welches die Geschichten derjenigen erzählt, die in der Vergangenheit mit jenem Buch in Kontakt gekommen sind.

Protagonistin Alex wird mit dem Tod ihres Großvaters konfrontiert.
Protagonistin Alex wird mit dem Tod ihres Großvaters konfrontiert.

Beispielsweise erzählt die erste Geschichte von einem Römer namens Augustus, der das Buch gefunden hat und wie wir mit der Zeit lernen, ein Handlanger einer übermächtigen Gottheit geworden ist. Welche Gottheit dies ist, wird lustigerweise zufällig vom Spiel bestimmt. Es gibt drei Gottheiten, die die drei magischen Elemente repräsentieren und das Spiel wählt zufällig einen von drei zu Spielstart aus. Einen wirklichen Unterschied macht dies nicht, außerhalb davon welche farbkodierten Gegner man größtenteils im Spiel sehen wird und welcher Name in den Zwischensequenzen gesagt wird. Die Gottheit selbst, wie es sich für eine Lovecraftian Horrorgeschichte gehört, sieht man bis kurz vor Schluss nicht.

Verschiedene Epochen, gleiche Orte und gleiche Waffen

An sich gefällt mir das Gimmick, dass man unterschiedlichste Zeitepochen besucht, sehr. Es gibt nur drei Ortschaften im Spiel, die man durch diese Narrative zu verschiedenen Zeitpunkten besucht und sehen kann, wie sich diese Orte im Laufe der Zeit verändert haben. Zumindest ist das die Idee. Ehrlich gesagt ändert sich über die verschiedenen Epochen da nämlich ziemlich wenig an den Orten. Zum Beispiel gibt es eine Kirche in Frankreich, die man in drei Kapiteln besucht. Einmal in circa 800, einmal in circa 1500 und einmal inmitten des Ersten Weltkrieges. Die größte Veränderung, die hier stattfindet, ist, dass das Langhaus während des Ersten Weltkrieges als Larzarett mit dutzenden Klappbetten und kleinen Zelten genutzt wird. Sonst hat sich am gesamten Gebäude nichts bis sehr wenig verändert. Effektiv bedeutet das, dass ich dreimal das gleiche Level spiele. Nur die Reihenfolge, in der ich manche Räume betrete, ist durch Puzzle eventuell etwas geändert.

Die Waffe bläst.
Die Waffe bläst.

Spielerisch hat die Reise durch die Zeit genauso wenig Einfluss. Jede Epoche kommt mit eigenen Waffen daher. Selbstverständlicherweise hat Augustus keinen Schießeisen, sondern ein Schwert. So wie jede andere Figur. Jeder hat ein Schwert. Die einzige Ausnahme ist der moderne Feuerwehrmann – Der hat eine Axt. Sobald Schusswaffen erfunden worden sind, haben Figuren der jeweiligen Epochen auch Pistolen. Spielerisch unterscheiden sich diese nicht von dem Blasrohr, was die Khmerin im 9. Jahrhundert hat. Die einzigen zwei Waffen, die tatsächlich einzigartig sind, sind die Pistolen, die Alex‘ Vorfahre im 18. Jahrhundert hat, weil das diese Dinger sind, die nur eine Kugel im Rohr halten und man also nach jedem Schuss nachladen muss; und das Maschinengewehr, welches man mit dem Feuerwehrmann in 1991 hat. Ansonsten habe ich aber die meiste Zeit mit dem Schwert verbracht, weil es so ziemlich die effektivste Waffe im Spiel ist.

Ein frühes Survival-Horror-Spiel, wie es im Buche steht

Das Kerngameplay von Eternal Darkness ist wie die ersten paar Resident Evil-Spiele. Man bewegt sich also innerhalb von den Entwickler*innen bestimmter Kameraperspektiven. Der bedeutende Unterschied hier ist, dass Eternal Darkness keine vorgerenderten Hintergründe nutzt, sondern in komplett 3D-modellierten Ortschaften stattfindet. Eternal Darkness verzichtet hierbei auf harte Schnitte zwischen Kameraperspektiven, sondern nutzt Kamerafahrten zwischen einzelnen Gebieten innerhalb eines Raumes. Schnitte gibt es im Prinzip nur bei Übergängen zwischen Räumen, in Form eines kleinen Ladebildschirms beim Benutzen einer Tür. Zur Steuerung bedient sich das Spiel der Kameraabhängigen Fortbewegung statt so genannter Panzersteuerung. Zahlreiche Spiele, die feste Kameraperspektiven mit dieser Art Steuerung verwenden, wie beispielsweise die Fatal Frame-Spiele, haben oft Probleme, dass man beim Wechsel zwischen Szenen den Stick neu ausrichten muss, da die verschiedenen Szenen oft unterschiedliche Orientierungen haben, was dafür sorgen kann, dass die Spielfigur kurz ein bisschen wackelt beim Szenenwechsel. Das vermeidet Eternal Darkness dank der Kamerafahrten.

Augustus prügelt sich mit Monstern.
Augustus prügelt sich mit Monstern.

Auch der Kampf orientiert sich an der Resident Evil-Reihe. Es gibt einen Lock-On-Knopf, mit dem man einen Gegner ins Visier nimmt, während man auf der Stelle steht. In Resident Evil war es der Fall, dass man mit dem Drücken nach oben auf den Kopf zielen konnte. In Eternal Darkness ist dieses Zielsystem noch um die Arme erweitert worden. Ich kann Gegnern also gezielt Kopf und Arme abschlagen oder -schießen. Und das sollte man auch so schnell wie möglich. Denn Gegner können einem beim Anblick die Sanity rauben, also sollte man ihnen sofort die Köpfe abschlagen. Was in Resident Evil aber mit der Schrotflinte auf kurze Distanz ein sofortiger Kill ist, hindert die Gegner in Eternal Darkness nur ein wenig. Die schwächeren Gegner bleiben dann halt einfach stehen und schlagen vor sich hin, indes die stärkeren Gegner blind durch den Raum laufen, bis sich ihr Kopf regeniert. Das Schwert führte ich vorhin als beste Waffe im Spiel an, da es Körperteile der meisten Gegner in einem Schlag abtrennt.

Ein französischer Bengel haut ein Monster mit einer Fackel.
Ein französischer Bengel haut ein Monster mit einer Fackel.

Leider hat Eternal Darkness nur eine geringe Anzahl an verschiedenen Gegnern, was für die relativ lange Spielzeit eines solcher Art Spieles recht schädlich ist. Circa 13 Stunden habe ich mit dem Spiel verbracht und innerhalb davon habe ich immer wieder die gleiche Art Zombie bekämpft. Mit der Zeit werden ein paar besondere Gimmick-Gegner eingefügt, die aber aufgrund der Tatsache, dass sie schwerer zu besiegen sind, nicht häufig auftauchen. Ein Resident Evil versteht zum einen, dass es nicht allzu lang sein sollte und zum anderen wird mit einer großen Menge an Bossen für Abwechslung gesorgt. Eternal Darkness hingegen hat drei Bosskämpfe. Glücklicherweise muss ich ehrlich sagen, weil diese mitunter die schlechtesten Stellen im Spiel sind. Bosse, die nur für kurze Augenblicke verwundbar sind und die Zeit dazwischen überbrücken, indem sie schlichtweg normale Gegner spawnen, sind nicht gerade interessant. Mit der geringen Gegnervielfalt sehen alle meine Kämpfe also gleich aus: Ich betrete den Raum, schlag erst allen den Kopf ab und danach töte ich einen nach dem anderen. Und das für 13 Stunden.

Über mentale Gesundheit und Zauberei

Eternal Darkness: Sanity’s Requiem hat ein Gimmick so bekannt und angeblich wichtig, dass es im Titel steht: Die Sanity-Mechanik. Wie vorhin erwähnt, rauben Gegner einem den Verstand, wen sie einen anschauen. Mit sinkendem Verstand versucht das Spiel Tricks zu spielen. Das sind zunächst simple Dinge, wie Blut, das Wände hinunterläuft oder es klopft laut an den Türen. Je weniger Sanity man hat, desto mehr dreht sich die Kamera zu einem Dutch-Angle. Und die interessantesten Tricks packt das Spiel bei leerer Leiste aus. Während meines Playthroughs ist es beispielsweise passiert, dass mein Bildschirm kurz schwarz wurde, als wäre das Spiel abgestürzt und beim Wechseln eines Raums ist meine Figur durch den Boden geclippt. Diese vierte-Wand-brechenden Gags sind charmant und lustig und spielen mit einer Art Metahorror, die ich wirklich beeindruckend finde und wünschte, es gäbe mehr Spiele, die so etwas tun. Das Problem ist, dass einem das Spiel äußerst früh einen Zauberspruch gibt, mit dem man die Sanity wiederherstellen kann und das führt die gesamte Mechanik ad absurdum. Sollte ich während eines Kampfes meine gesamte Sanity verloren haben, dann bleibe ich danach halt stehen und fülle sie wieder auf.

Alex liegt tot in der Badewanne? Einer von vielen Jumpscares, die bei niedriger Sanity auftauchen.
Alex liegt tot in der Badewanne? Einer von vielen Jumpscares, die bei niedriger Sanity auftauchen.

Auf die Zaubermechanik muss ich nun noch zu sprechen kommen, wo ich eben die Existenz eines Zauberspruchs erwähnt habe. Im Laufe des Spiels findet man Runen, Übersetzungen dieser Runen und Schriftrollen. Die Schriftrollen erklären, welche Runen man für einen Zauberspruch benötigt. Die Runen findet man unabhängig der Übersetzungen und es ist möglich, die Übersetzungen zu übersehen. Das sorgte in meinem Fall dafür, dass ich am Ende des Spiels zwei Runen hatte, deren Übersetzungen ich nicht wusste. In dem Sinne ist das unpraktisch, dass das Spiel die Zaubersprüche alleine zusammensetzt, sobald man die Schriftrolle, passenden Runen und Übersetzungen gefunden hat. Man kann aber auch auf gut Glück Runen mit einander kombinieren, um Zaubersprüche zu erraten. Dadurch war ich deutlich, bevor ich die passende Schriftrolle gefunden hatte, im Besitz eines Regenerationszaubers, dass Leben, Mana und Sanity über Zeit regenieren kann.

Im dritten Kapitel findet man die ersten Runen und Zaubersprüche.
Im dritten Kapitel findet man die ersten Runen und Zaubersprüche.

Jeder Zauberspruch verbraucht Mana. Anspruchsvollere Sprüche natürlich mehr. Wir kennen das alle aus RPGs. Im Falle von Eternal Darkness ist das ein System, was auf den ersten Blick cool und einzigartig wirkt, mich mit laufender Spielzeit aber immer mehr nervte. Der schlimmste Aspekt ist, dass man Mana darüber regeniert, sich zu bewegen. Um Mana also auf die effektivste Art zu regenieren, caste ich den Regenerationszauber und laufe im Kreis. Gerade wenn ich schwer verletzt bin und wenig Sanity nach einem schweren Kampf habe, heißt das, ich dreh mich erstmal eine ganze Weile im Kreis, um mich voll heilen zu können. Nur noch mehr verschlimmert wird es, wenn ich eine Figur spiele, die insgesamt nur wenig Mana hat, wie beispielsweise der Feuerwehrmann. Der Feuerwehrmann ist das vorletzte Kapitel des Spiels. Das heißt, ich kriege bei Kämpfen ordentlich meinen Hintern versohlt und mich danach zu heilen, ist einfach nur eine Geduldsprobe.

Wie die drei Elemente miteinander interagieren.
Wie die drei Elemente miteinander interagieren.

Hinzu kommen die drei Elemente, welche ich anfangs in der Review erwähnte. Grün heilt Sanity. Rot heilt Leben. Blau heilt Mana. Die drei Elemente folgen ebenfalls einem Schere-Stein-Papier-System. Blau schlägt Rot, Rot schlägt Grün, Grün schlägt Blau. Wenn ich also gegen rote Zombies kämpfe, kann ich sie mit blauer Magie angreifen. Sonderlich viel habe ich das System in Kämpfen nicht genutzt, außer wenn ich magische Barrieren brechen musste, da das Casten von Zaubern ein bisschen Zeit in Anspruch nimmt und man währenddessen stehen bleiben muss. Umso mehr Runen für den Zauber benötigt werden, desto länger dauert das Casting. Am Anfang hat man nur Zaubersprüche, die aus drei Runen bestehen, doch im Laufe der Zeit wird es noch die Möglichkeit geben, fünf- und siebenrunige Zauber zu nutzen. Wie die Sprüche jedoch um Runen erweitert werden, ist ziemlich lächerlich. Man wird eine Rune namens Power finden. Diese Rune verstärkt Zaubersprüche. Am Ende hat man keine komplexen Zaubersprüche, die sieben verschiedene Runen benötigen, sondern immer noch Sprüche aus drei Runen und den Rest ballert man mit der Power-Rune voll. Verschwendetes Potential an der Stelle.

Eine Story ist anwesend

Eine wirklich Besprechung der Story ist kaum notwendig. Die spielbaren Figuren sind alles Silhouetten mit simpelsten Charakterzügen und die ganze Geschichte, was mit dem Tome of Eternal Darkness im Laufe der Jahrtausende passiert, ist halt nur eine Ausrede für die verschiedenen Orte und Epochen. Die paar Zwischensequenzen, die da sind, sind gut vertont, weil Silicon Knight ebenfalls an Metal Gear Solid: Twin Snakes arbeitete und wo sie die Sprecher halt schon mal da hatten, kann man sie ja mal eben auch in Eternal Darkness packen. Genauso haben sie charmante von Hand gemachte Animationen, also ohne Motion Capture, was ich an modernen Spielen ein bisschen vermisse. Der grafische Stil von Eternal Darkness, gerade die Charaktermodelle, erinnern mich ein bisschen an TimeSplitters und beides hat so cartoonhaft überanimierte Zwischensequenzen, die ich super charmant finde. Die Umgebungen in Eternal Darkness kommen zwar nicht an die wunderschönen Hintergründe eines Resident Evil-Remakes auf der gleichen Konsole heran, aber die meisten Räume sind klein genug gehalten, dass man sie mit vielen kleinen Details versehen kann und gleichzeitig konstante 60 Bilder die Sekunde erreicht. Während also die Story nur zweckmäßig daherkommt, ist wenigstens die Präsentation des Spiels gut.

Die spinnen, die Römer.
Die spinnen, die Römer.

Fazit

Leider bin ich insgesamt eher enttäuscht von Eternal Darkness. Es ist bei weitem kein schlechtes Spiel, aber das Magiesystem ist unintuitiv, es gibt kaum Gegnervielfalt, während das Spiel viel zu lang ist und die coolste Sache am Spiel, die Sanity-Mechanik, verliert sehr früh an Bedeutung. Ich weiß, es ist ein bisschen lustig, mich über die Spielzeit zu beschweren, wenn ich sogar nur einen Playthrough hingelegt habe, das Spiel aber drei Stück für das True Ending verlangt. Genau, man muss es dreimal durchspielen für das richtige Ende. Jeder Playthrough mit einem anderen Gott als Bösewicht. Gerade, wenn ich daran denke, dass man in einem normalen Playthrough die Sequenz mit den neun Türmen unterhalb der Villa zweimal machen muss, dann sage ich da nur Nein, danke.

[Anmerkung: Screenshots in diesem Artikel sind dem Walkthrough des YouTube-Kanals „Noire Blue“ entnommen, da ich selbst keine Möglichkeit besitze, meine Wii aufzunehmen]

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